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 Compiled by
  Fritz Geller-Grimm

 
Paläontologie

Die Sammlung aus Steeden

[5 km NO Limburg, Stadt Runkel, Kreis Limburg-Weilburg, Land Hessen]
- während der EISZEIT-Ausstellung zu sehen!

Abb. 1: Die Höhlen von Steeden 1919 - links Wildscheuer, rechts Wildhaus. © SNA - Museum Wiesbaden
Abb. 1: Die Höhlen von Steeden 1919 - links Wildscheuer, rechts Wildhaus.
© SNA - Museum Wiesbaden

Abb. 2: Die Höhlen von Steeden, aus: Annal.d.Verein f.Nass.Alterth.u.Gesch.XV 1919 - links Wildscheuer, rechts Wildhaus
Abb. 2: Die Höhlen von Steeden, aus: Annal.d.Verein f.Nass.Alterth.u.Gesch.XV

Thomä (1846): "... Hier ist der Ort, wo Steinbrecher schon vor 6-7 Jahren unter Schutt und Felsen Knochen und Zähne von Säugethieren fanden, ohne dem Funde eine weitere Bedeutung beizumessen. Nur arme Leute aus Steeten, welche schon längere Zeit Knochen zu Dungmehl sammelten, nahmen sich Dessen, was hier von Gebeinen zufällig zum Vorschein kam, an und trugen es zur Knochenmühle in Limburg. ..."

Nach Fiedler (1977) kann K.A. von Cohausen (1812-1894) als Gründer der hessischen Altsteinzeitforschung bezeichnet werden. Er begann ab 1874 als Konservator des Wiesbadener Altertumsmuseums (SNA) mit den ersten planmäßigen Ausgrabungen in den Lahntalhöhlen bei Steeden (Abb. 1, 2). An der Auswertung beteiligte sich auch H. Schaaffhausen, der die Faunenreste untersuchte. Der Vorplatz wurde dann von H. Behlen bearbeitet. Ab 1920 konnten noch F. Kutsch und H. Heck zur Kenntnis der Steedener Höhlen beitragen. 1953 wurde von H.-E. Mandera (SNA) eine letzte Rettungsgrabung in der Wildscheuerhöhle (Abb. 3) durchgeführt, weil die Felsen im Zuge des industriellen Kalkabbaues gesprengt wurden. Die Behörden konnten sich wohl damals kaum vorstellen, daß diese Höhlen einmal ein überregional bedeutsames Touristenziel hätten werden können. Der Verlust für das Bundesland Hessen ist gewaltig.

Jungpaläolithische Funde sind in Hessen außerordentlich spärlich. Das frühe Jungpaläolithikum ist durch die Aurignacienfunde aus der Wildscheuer und dem Wildhaus belegt (Steinartefakte aus Kieselschiefer, Speerspitzen aus Mammutknochen). Dem mittleren Jungpaläolithikum können die Gravettien-Schicht der Wildscheuer (Funde aus Chalcedon und Feuerstein, verzierter Vogelknochen) und eventuell die Funde der Wiesbadener Adlerquelle zugeordnet werden. Schließlich ist das späte Jungpaläolithikum allein durch die Magdalénienschicht der Wildscheuer in Hessen belegt (Kratzer, Stichel, spitzklingenartige Bohrer).

Abb. 3: Eingang zur Höhle Wildscheuer. © SNA - Museum Wiesbaden Die nach Südwesten offene Wildscheuerhöhle (Abb. 3) war am Eingang 6 m breit und 7 m hoch und führte 18 m tief in den Berg hinein. In der Basisschicht "Wildscheuer I" konnten mittelpaläolithische Schädelfragmente geborgen werden, die lange Zeit dem Neandertaler zugeordnet wurden. Inzwischen hält man diese aber für Knochenfragmente des Höhlenbären. Von folgenden Tieren sind Knochenfragmente erhalten: Höhlenbär, Pferd, Höhlenhyäne, Wolf, Fuchs, Wollnashorn und Mammut. In der darauf folgenden "Wildscheuer II"-Schicht sind Höhlenbär, Pferd, Rentier, Höhlenhyäne, Wolf und Fuchs. In der intensiv rot gefärbten "Terra rossa bzw. Wildscheur III"-Schicht (Aurignacien) finden sich mehrere Feuerstellen, zahlreiche Artefakte und Knochen von folgenden Tieren: Mammut, Fuchs, Panther, Pferd, Rentier, Hase, Höhlenbär, Wollnashorn und Schneehuhn. Die Funde aus der "Wildscheur IV"-Schicht gehören dem mittleren Jungpaläolithikum (Gravettien) an, darunter: Rentier, Hirsch, Fuchs, Höhlenlöwe und Schneehuhn. Der "Wildscheuer V"-Schicht (rheinisches Magdalénien) lassen sich nur solche Stücke zuordnen, die durch die Ausgräber entsprechend ausgewiesen wurden. Neben zahlreichen Artefakten finden sich Nachweise des Rentiers, des Wollnashorns und des Schneehuhns.

Abb. 4: Eingang zur Höhle Wildhaus. © SNA - Museum Wiesbaden Die Höhle Wildhaus (Abb. 4) lag etwa 65 m südlich der Wildscheuerhöhle. Es handelt sich den Maßen nach eher um eine Felsspalte (54 cm breit, 3,5 m hoch, etwa 11 m tief), die bereits 3 m nach dem Eingang nur noch auf Knien begangen werden konnte. Hier konnte Cohausen neben unterschiedlichsten Artefakten auch eine 40,5 cm lange "Lautscher Spitze" aus Mammutknochen finden (Abb. 5). Das Stück bildete für Schaaffhausen ein wichtiges Argument in dem Streit um die Gleichzeitigkeit von Mensch und Mammut. Die Funde werden dem Aurignacien zugeordnet.

Abb. 5: Lautscher Spitze aus der Höhle Wildhaus. © SNA - Museum Wiesbaden

Nach Terberger (1993) wurden grabungstechnisch bedingt kaum kleinere Tiere in der Wildscheuer geborgen. Dies trifft nicht zu, da die Sammlung der MWNH wohl bei dieser Betrachtung unberücksichtigt blieb. Von den mehr als 2800 Fundstücken stammen etwa 1470 von Kleinsäugern. Nur ein vergleichsweise geringer Teil der Knochen kann gesichert als Jagdbeuterest des Menschen angesprochen werden. Der Großteil stammt von natürlich in der Höhle verendeten Tieren und Jagdbeuteresten der Raubtiere, wie dies die zahlreichen Verbißspuren belegen. Insbesondere in den unteren Schichten finden sich zahlreiche Knochenreste von Höhlenbären. Die meisten Funde lassen sich heute nicht mehr sicher einem Kulturhorizont zuordnen, da nur Mandera dies bei seinen Grabungen entsprechend dokumentiert hat.

Besuchen Sie auch die Internetseiten des Landesverbandes für Höhlen- und Karstforschung Hessen e.V..

Einige der über 2800 Fundstücke aus der MWNH-Sammlung

Mammut - Molar. © MWNH - Museum Wiesbaden Wollnashorn - Unterkiefer. © MWNH - Museum Wiesbaden
Mammut - Molar
Mammonteus primigenius
Größe 13 cm, Inv.Nr. 121
Wollnashorn - Unterkiefer
Coelodonta antiquitatis
Größe 22 cm, Inv.Nr. 94
Ur - Molor. © MWNH - Museum Wiesbaden Pferd - Unterkiefer. © MWNH - Museum Wiesbaden
Ur - Molar
Bos primigenius
Größe 3 cm, Inv.Nr. 245
Pferd - Unterkiefer
Equus spec.
Größe 12 cm, Inv.Nr. 2234
Rentier - Geweih. © MWNH - Museum Wiesbaden Höhlenlöwe - Unterkiefer. © MWNH - Museum Wiesbaden
Rentier - Geweih
Rangifer tarandus
Größe 17 cm, Inv.Nr. 242
Höhlenlöwe - Unterkiefer
Panthera spelaea
Größe 14 cm, Inv.Nr. 64
Höhlenhyäne - Unterkiefer. © MWNH - Museum Wiesbaden Höhlenbär - Eckzahn. © MWNH - Museum Wiesbaden
Höhlenhyäne - Unterkiefer
Hyaena spelaea
Größe 12 cm, Inv.Nr. 13
Höhlenbär - Eckzahn
Ursus spelaeus
Größe 8 cm, Inv.Nr. 62
Moorschneehuhn. © MWNH - Museum Wiesbaden Wühlmaus - Unterkiefer. © MWNH - Museum Wiesbaden
Moorschneehuhn
Lagopus lagopus
Größe 4,5 cm, Inv.Nr. 2174
Wühlmaus - Unterkiefer
Arvicola terrestris
Größe 2,8 cm, Inv.Nr. 2211

Inzwischen hat Frau Buchroth die NWS-Sammlung aus den Höhlen von Steeden neu inventarisiert und fotografiert. Aktuell stehen noch Korrekturen und Ergänzungen aus. Fotos und Datenbank werden demnächst als CD-ROM zur Verfügung stehen (besuchen Sie dazu unsere Verkaufsseite). Zum Selbstkostenpreis wird die Datensammlung denjenigen zur Verfügung gestellt, die sich an der Bearbeitung und Zuordnung beteiligen.

Danksagung
Herrn Dr. Kleineberg, Herrn Füll und Frau Böhmer von der Sammlung Nassauischer Altertümer (SNA) im Museum Wiesbaden, Herrn Keller (Landesamt für Denkmalpflege Hessen) und Herrn Gerhard Stein (Höhlenkataster Hessen) sei für die große Unterstützung und die Bereitstellung einiger Fotografien und Fundstücke herzlich gedankt.

Literatur

  • Cohausen, K.A. von (1874): Die Nachgrabungen in der alten Wallburg und den Höhlen bei Steeten an der Lahn. - Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 13: 379-389; Wiesbaden.
  • Cohausen, K.A. von (1879): Die Höhlen und die Wallburg bei Steeten an der Lahn. - Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 15: 323-342; Wiesbaden.
  • Behlen, H. (1905): Eine neue Nachgrabung vor der Steedener Höhle Wildscheuer. - Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 35: 290-307; Wiesbaden.
  • Behlen, H. (1909): Die Steedener Höhle Wildscheuer. - Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 39: 218-351 + 11 Taf.; Wiesbaden.
  • Fiedler, L. (1977): Altsteinzeitliche Fundplätze in Hessen - Führer zur Hessischen Vor- und Frügeschichte 2. - 95 S.; Wiesbaden: Landesamt für Denkmalpflege Hessen.
  • Heck, H. (1924): Die Stratigraphie der Wildscheuer bei Steeden a.d.L. - Die Eiszeit, Zeitschrift für allgemeine Eiszeitforschung. Organ des Instituts für Eiszeitforschung in Wien 1(2): 103-106; Leipzig.
  • Knussmann, R. (1967): Die mittelpaläolithischen menschlichen Knochenfragmente von der Wildscheuer bei Steeden (Oberlahnkreis). - Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 78: 1-25; Wiesbaden.
  • Kutsch, F. (1954): Die Steedener Höhlen. - Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 65: 27-34; Wiesbaden.
  • Kutsch, F. (1954): 3. Die Funde der Nachuntersuchung. - Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 65: 42-45; Wiesbaden.
  • Mandera, H.-E. (1954): 2. Bericht über die Nachuntersuchung der Höhle Wildscheuer und ihres Vorplatzes 1953. - Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 65: 35-42; Wiesbaden.
  • Rosendahl, W. (1996): Über historische Säugerfunde aus den jungpleistozänen Höhlensedimenten der Wildscheuerhöhle bei Steeden an der Lahn. - Jahresbericht der Höhlenforschergruppe Rhein-Main 17(1995): 9-15; Frankfurt am Main. [Funde us dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt]
  • Terberger, K. (1993): Das Lahntal-Paläolithikum. - 192 S. + 76 Taf.; Wiesbaden: Landesamt für Denkmalpflege Hessen.
  • Thomä, C. (1846): Über das Vorkommen fossiler Knochen bei Steeten im Amte Runkel. - Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogthum Nassau 3: 203-226; Wiesbaden.

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